Montag, 9. November 2020

Naturalistische Gartengestaltung

Seit mehr als 8 Jahren, das ist der Beginn meiner diesbezüglichen Aufzeichnungen von Google, wurde beim Suchwort "Naturalistischer Gartenstil" meine Homepage und mein Blog an erster Stelle gezeigt (https://www.wildstaudenzauber.de/Seiten/Gartengestaltung_Naturalistischer_Gartenstil.html). Nun bekomme ich Unterstützung und werde auf Platz 2 verschoben. Bereits vor einiger Zeit erschien ein Buch mit dem Untertitel "Gärten naturalistisch gestalten" (https://wildstauden.blogspot.com/2019/11/wild-garden.html) und nun halte ich zum ersten Mal ein Buch mit dem Haupttitel "Naturalistische Gartengestaltung" in den Händen. Damit ist der Begriff nun endlich auch in Deutschland angekommen und man könnte vielleicht "New German Style", "Dutch Wave", "New Perennial Movement" u. a. damit ersetzen? 
Nigel Dunnett
Naturalistische Gartengestaltung. 2020. 240 S., 418 Farbfotos, 24 Zeichnungen, 1 Tabelle, geb. ISBN 978-3-8186-1030-2. € 50,00. 

"Naturalistische Gartengestaltung" ist in erster Linie keines der zahlreichen Bücher über Artenschutz im Garten, sondern bereits im  Kapitel 1 "Pflanzen für Menschen" wird klar, das es hier auch und vor allem um die Bedürfnisse des Menschen geht. Dabei geht es nicht nur darum etwas Schönes zu schaffen, sondern mit der naturalistischen Gartengestaltung die Menschen tief im Inneren, in der Seele zu berühren und positive Gefühle hervorzurufen. Dem Autor geht es darum, die von Naturlandschaften in uns ausgelösten Gefühle einzufangen, ohne reale Pflanzengemeinschaften zu kopieren. "Man muss die visuellen Eindrücke verstehen, die uns denken lassen, dass etwas natürlich sei."
Die Geschichten im Kapitel 2 "Die Anfänge" erinnern wohl so manchen Leser an die ersten, eigenen Erfahrungen mit Pflanzen. In diesem Kapitel erzählt der Autor auch von seinen Reisen nach China ins Shangri-La-Tal und nach Nordamerika zum Blue Ridge Parkway, die ihn sehr beeindruckt haben. Beide Pflanzenparadiese konnte ich auch durchstreifen (https://www.wildstaudenzauber.de/Seiten/Yunnan_Shangrila.htm und https://www.wildstaudenzauber.de/Seiten/Virginia.html).
Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Frage was zeitgenössischer Naturalismus eigentlich ist. Es ist ein Sammelbegriff für zahlreiche und vielfältige Ansätze und Strömungen. Nach einem Exkurs in die Vergangenheit werden vom Autor drei Ausprägungen des zeitgenössischen Naturalismus  festgemacht: der impressionistische, technokratische und modernistische. Der impressionistische Naturalismus wird mit William Robinson und Gertrude Jekyll in Verbindung gebracht. Interessant ist, dass der technokratische Naturalismus von Hansen und Stahl und Deutschland vertreten wird. Hier gibt es strenge Gestaltungsregeln auf der Basis wissenschaftlicher Ökologieerkenntnisse. Für den modernistischen Ansatz stehen die Niederländer mit Piet Oudolf. Blöcke und Drifts mit einer niedrigen Gesamtanzahl von sorgfältig ausgewählten Arten sind charakteristisch. 
Das für mich spannendste Kapitel 4 ist mit "Die Natur lesen" überschrieben. Was sind nun die der Natur abgeschauten Gestaltungsrichtlinien? Als Referenzmodell wird eine Wiese in Shangrila, China herangezogen. Auf dieser Wiese blühten nur zwei Arten gleichzeitig, als der Autor sie besuchte. Er entwickelte daraus seinen P3-Leitsatz: "Maximal drei verschiedene Arten tragen gleichzeitig zu den wirkungsvollsten und schönsten Naturbildern bei". Die Pflanzung besteht jedoch aus 20 bis 30 Arten, die nacheinander blühen. Dieses nacheinander Blühen wird als Farberuption bzw. Blühwellen bezeichnetNaturalistische Pflanzungen mit vielen Arten sind für den Autor ein zusammengestückelter, verwirrender Mischmasch?! Die Wiese in Shangrila zeigte eine Schichtenbildung, d. h. früh blühende Pflanzen wachsen relativ niedrig und werden von höheren später blühenden Pflanzen überwachsen. Flüsse und Drifts entstehen durch geringe Unterschiede in der Feuchtigkeit oder Nährstoffverfügung und sind ein wichtiges Gestaltungselement im Garten. Sie lenken das Auge und geben Struktur. An den Rändern der Drifts gibt es Durchmischungen und Verzahnungen, d.h. ausgefranste Ränder. Unter der Überschrift "Aggregation" geht es um die Verteilung der Pflanzen in der Fläche. Wenn man mit Samenmischungen arbeitet werden die Pflanzen gleichmäßig über die Fläche verteilt. In Wirklichkeit neigen Pflanzen dazu, sich in Clustern oder Haufen selbst zu organisieren. Dabei können Haufen und Drifts auch wiederholt auftreten, besonders hohe Arten, die dann Wiederholung und Rhythmus in die Pflanzung bringen. Das Eintauchen in die Pflanzung ist eines der Kernprinzipien dieses Buches und ein essenzieller Bestandteil der gestalterischen Arbeit des Autors. Hier ist auch die Transparenz zu erwähnen. Wenn man höhere, durchsichtige Pflanzen näher am Betrachter platziert, erzeugt man ein Gefühl für den Vordergrund und damit mehr Tiefenwirkung in der Pflanzung. Am Schluss des Kapitels gibt der Autor einen Einblick in seine Dissertation zur "Theorie der Pflanzenstrategien", die mir leider auch beim zweiten Lesen unverständlich blieb. 
Das folgende Kapitel 5 "Baukasten Pflanzendesign" zeigt die Anwendung der im vorangegangenem Kapitel beschriebenen Muster, ist aber auch nicht leicht zu lesen. Der Autor betont, dass sich sein Buch in erster Linie als Aufforderung zum Experimentieren versteht. Es geht ihm nicht um das Anwenden von Regeln.
Im Kapitel 6 "Natur der Zukunft" werden die zahlreichen Projekte des Autors mit  dem Schwerpunkt Dachgärten vorgestellt.
Im abschließendem Kapitel 7, überschrieben mit "Leitfaden für den Anbau", werden unterschiedliche Vorgehensweisen für die Pflanzung und Pflege beschrieben.
Beim ersten Durchblättern des Buches war ich begeistert von den sehr zahlreichen malerischen Bildern. Wobei die kleinen Bilder nicht immer deutlich erkennen ließen, welche Pflanzen verwendet wurden. Weniger wäre mehr gewesen. Meist werden große wiesenähnliche Pflanzungen gezeigt. Doch wo sind die Bilder von naturalistischen Pflanzungen an Gehölz- oder Teichrändern im Garten? 
Ein sicher sehr nützliches, weil bisher einmaliges Buch für Garten- und Landschaftsgestalter und weniger verständlich für Hobbygärtner. Aber gerade auch für diese ist naturalistisches Pflanzdesign eine aktuelle Alternative zur traditionellen Gartengestaltung.


1 Kommentar:

  1. Wenn Mensch und Natur in Einklang leben. Dann können wir bestimmt auch den Klimawandel viel einfacher in den Griff bekommen. Danke für dieses wirklich wertvolle Buch.
    Liebe Grüße Timo

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