Montag, 27. November 2017

Planting in a post wild world


Planting in a Post-Wild World

von Thomas Rainer und Claudia West
(Englisch) Gebundene Ausgabe, Oktober 2015, Timber Press, 316 Seiten, ISBN 978-1604695533, 20,42 Euro
Das hier vorgestellte Buch kann ich kaum als Weihnachtsgeschenk empfehlen. Es sei denn, der zu Beschenkende möchte tief in die Philosophie des Naturalistischen Gartenstils eintauchen. Zum größten Teil wendet sich das Buch an professionelle Designer. Thomas Rainer kenne ich schon länger u. a. durch seinen Blog. Ich hatte die Hoffnung, das sein Buch bald auch in Deutsch erscheint. Bisher aber leider nicht. Da der Titel für mich so vielversprechend ist, habe ich nun die 316 Seiten durchgeackert. Ist ja November!

Das Buch zeigt eine Alternative zur traditionellen Gartengestaltung, möglicherweise den Weg in die Zukunft der  Pflanzenverwendung. Nach Meinung der Autoren liegt die Front im Kampf für die Natur nicht in den Regenwäldern des Amazonas oder der Wildnis Alaskas, sondern in unseren Gärten. Das traditionelle Gartendesign in Amerika, zeigt meist große Rasenflächen und geschnittene Hecken, sowie Blumenbeete  mit meist einjährigen Pflanzen in einem See von Rindenmulch. Die Autoren propagieren ein Pflanzendesign, das wie eine natürliche Pflanzengemeinschaft funktioniert. Sie zeigen wie Pflanzen in der Natur zusammenleben, und wie man dieses Wissen nutzen kann um unverwüstliche, schöne und vielseitige Pflanzungen zu kreieren.
Dabei geht es den Autoren nicht in erster Linie um die Ökologie, die Insekten, Vögel und Lurche, wie in den meisten deutschen Naturgartenbüchern, sondern um den Menschen, um Ästhetik und Emotion.
"Bisher waren wir tief verbunden mit der Natur und erinnern uns an eine Vergangenheit in der uns die Natur umgab und eine große Rolle in unserem Leben spielte. Wir schlafen nicht mehr unter den Sternen, bearbeiten den Boden mit unseren Händen oder lesen an den Pflanzen des Walds ab, wo es nach Hause geht. Aber ein Teil von uns sehnt sich noch nach dieser Naturverbundenheit. Es ist gerade mal 100 Jahre her, dass wir uns von unserer Außenumgebung entfernt haben. ...In einem tiefen Innerem, erinnern wir uns, wenn wir Pflanzen sehen, die perfekt in ihre Umgebung passen, an die vergangene Beziehung, die wir hatten. Wenn wir im Gebirge oder anderen Wildnissen wandern und die Landschaften sehen, merken wir einen emotionalen Ruck, der uns tiefer atmen lässt und unsere Stimmung hebt. Es gibt tiefe evolutionäre Gründe, das Naturformen so stark mitschwingen und das Pflanzengemeinschaften als harmonisch und schön wahrgenommen werden....Wirklich großartige Pflanzungen geben uns das Gefühl durch eine Wiese zu laufen, durch einen dunklen Wald zu wandern oder eine Waldlichtung zu betreten."

In einer Rezension von James Golden in "thinkingarden" (http://thinkingardens.co.uk/reviews/re-imagining-nature-a-review-by-james-golden-of-planting-in-a-post-wild-world/) weist Golden daraufhin, dass seines Wissens es nur ein Buch gibt, das ein gleiches Anliegen verfolgt, "Die Stauden und ihre Lebensbereiche" von Richard Hansen und Friedrich Stahl, erschienen vor 30 Jahren in Deutschland. Es war zu seiner Zeit ein wegweisendes Buch. Es zeigte einen neuen Weg zur Pflanzung in ökologischen Gemeinschaften. Rainer und West führen in ihrem Buch den auf Pflanzengemeinschaften basierenden Ansatz auf eine neue Stufe der Kreation von schönen, emotional bewegenden Landschaften.
Dazu formulieren sie fünf wesentliche Prinzipien:

1. Pflanzengemeinschaften statt isolierter Individuen
Es sind Pflanzengemeinschaften gemeint, die aus Stauden, Gräsern, Sträuchern und Bäumen bestehen, die die gleichen Ansprüche in Bezug auf Bodeneigenschaften, Wasserversorgung, Licht und anderen Bedingungen haben. Die traditionelle Gartenpraxis platziert Pflanzen in größeren Abständen und bekämpft das Unkraut dazwischen durch Mulchen. In Pflanzengemeinschaften bedecken Pflanzen den Boden wie ein "Grüner Mulch". Eine Wiesen ähnliche Pflanzung ist eines der häufigsten Modelle einer Pflanzung nach Pflanzengemeinschaften.

2. Stress als Vorteil
Denke nicht, schlechter Boden sollte unbedingt verbessert werden, sondern wähle Pflanzen die auf dem vorhandenen Boden wachsen. Ein Beispiel dafür ist der weltberühmte Kiesgarten von Beth Chatto. Die Toleranz einer Pflanze bezüglich unterschiedlicher Arten von Stress, wie z. B. wenig Licht, Wasser oder Nährstoffe wird zu einem großen Teil die Verteilung der Pflanzen an einer bestimmten Stelle beeinflussen.

3. Bedecke den Boden dicht mit Pflanzen
Nirgendwo in der Natur, außer in der Wüste und ähnlichen unwirtlichen Gegenden, gibt es dauerhaft nackten Boden. Temporär nackter Boden entsteht z. B. durch den Tritt von Weidetieren. Hier kommen dann Sämlinge auf, die in der Pflanzung auch unerwünscht sein können. Die Bedeckung des Bodens hat den Vorteil von weniger Unkraut und weniger Arbeit sowie verbesserte Bedingungen für Insekten, Vögel, Amphibien und andere Tiere. Nackter Boden kann sich auch sehr stark erwärmen und die Feuchtigkeit des Bodens und das Wurzelsystem negativ beeinflussen. Der oft zur Bodenbedeckung eingesetzte Mulch setzt bei seiner Zersetzung Nährstoffe frei, die den Pflanzen oft nicht gut tun. Die Alternative zu Mulch ist "Green mulch", die Bedeckung des Bodens mit Pflanzen.

4. Mache die Pflanzungen attraktiv und annehmbar
Der größte Teil der westlichen Welt hat ein Konzept der Natürlichkeit geerbt, das an das britische Konzept des Malerischen aus dem 18 Jahrhundert gebunden ist. Als Resultat hat die breite Öffentlichkeit sehr wenig Toleranz für wilde, unattraktive Pflanzungen besonders im städtischen Bereich.
Geplante Pflanzengemeinschaften können so designed werden, das sie ordentlich und attraktiv wirken. Sie müssen nicht die Natur widerspiegeln sondern nur ihre Stimmung. Dazu sollte eine geplante Pflanzengemeinschaft eine Destillation der wilden Pflanzengemeinschaft sein.
Eine weitere Möglichkeit für die Annehmbarkeit ist die Nutzung von ordnenden Rahmen für die wilder aussehenden Pflanzungen um den Eindruck von Unordnung zu beseitigen. Der Rahmen könnte zum Beispiel ein gemähter Streifen Gras an einer Wiese sein, oder auch Hecken, Zäune, Wege und Mauern können die naturalistischen Pflanzungen begrenzen.

5. Steuerung statt Pflege
Geplante Pflanzengemeinschaften stimmen untereinander und mit ihrem Standort überein und benötigen deshalb keine Pflege. Steuere die gesamte Pflanzung, statt dich um einzelne Pflanzen zu kümmern, so ist es räumlich und zeitlich eine mehr extensive Pflege. Die Eingriffe sind durch die Wachstumsraten bestimmt. Wenn eine Pflanze stirbt, muss sie nicht unbedingt entfernt werden. Andere Pflanzen nehmen ihren Platz als Sämling oder durch Ausläufer der benachbarten Pflanzen ein. Dadurch steuert sich die Pflanzung selbst und wird immer robuster.

Unter der Überschrift "Die Inspiration der Wildnis" werden u. a. drei Urtypen der Landschaft genannt: Grasland, Strauch- und Baumland sowie Wälder. Einige naturalistische Pflanzkonzepte, wie der "New American Garden" (Oehme und van Sweden), die New Perennial movement" (Noel Kingsbury) und die deutschen Staudenmischpflanzungen (Kolb und Kircher, 1994) haben ihre Inspiration vom Grasland bekommen.
-Die menschliche Präferenz für gut einzusehende Landschaften lässt Wiesenpflanzungen über Augenhöhe einschüchternd wirken. Höhere Graslandpflanzen sind nur akzeptabel, wenn man sie von Weitem sieht. Am angenehmsten wirken Pflanzungen bis Hüfthöhe für den Garten-Zu viele Gräser in der Pflanzung wirken monoton, leer und langweilig. Übers Jahr sollten Farbwellen die Pflanzung bestimmen.
-Kollidierende Mischungen von Farben und Formen können entstehen wenn Pflanzen von verschiedenen Standorten gemischt werden, z. B. großblättrige Waldpflanzen (Rodgersien) in der Wiese.
Im Kapitel "Der Design Prozess" wird gesagt, großes Pflanzendesign ist das Resultat von drei harmonischen Interaktionen: Pflanze zum Standort, Pflanze zum Menschen und Pflanze zu den anderen Pflanzen. Ausführungen dazu können Sie in einem früheren Post  http://wildstauden.blogspot.de/2017/09/naturalistischer-gartenstil-in-kanada.html lesen.
Rainer und West betonen, dass massing, die massenhafte Pflanzung der gleichen Art, ein sehr wichtiges Werkzeug des Designers ist. Sie beziehen sich dabei auf deutsche Autoren (Müssel, Weisse, Stahl und Hansen), die die Geselligkeit der Pflanzen in fünf  Stufen einteilten, von einzelnen Pflanzen und kleinen Gruppen bis hin zu große Flächen ausfüllende Pflanzen. Erstere sind meist hohe Arten und letztere niedrige, Boden bedeckende Pflanzen. Die Hälfte des Buches ist geschafft. Sollte noch etwas sehr wichtiges kommen, schreibe ich nochmal dazu. In einem nächsten Post werde ich auf Clump (massing) und intermingling nochmal eingehen.

Allein bei Amazon gibt es 66 Rezensionen des Buches. Die meisten überschwänglich positiv, eben typisch amerikanisch. Allerdings 8 davon sind auch kritisch, wie z. B. "Ich liebe natürliche Landschaften in einiger Entfernung vom Haus, aber nah dran möchte ich einen schönen Garten und nichts, das wie ein Unfall der Natur aussieht." Andere hatten sich mehr vom Titel erwartet. 








1 Kommentar:

  1. Ich habe es auch durchgeackert. Es war spannend, so viele neue amerikanische Stauden kennenzulernen. Der Ansatz mit den Ebenen im Beet, bei dem man die untere Etage nicht vergessen sollte, könnte im öffentlichen Grün helfen, die Kosten zu senken, und mehr artenreiche Flächen begünstigen.
    VG
    Elke

    AntwortenLöschen